Sitznachbar:innen im Flugzeug sind ein erheblicher Faktor dabei, wie gemütlich oder eben ungemütlich dein Flug ist. Manche sind so rücksichtsvoll, ruhig und höflich, dass man sie kaum bemerkt. Andere schaffen es, jede Minute eines zweistündigen Fluges nach Griechenland zur Höllenqual zu machen. Hier sind sie, die 10 verschiedenen Sitznachbar:innen-Typen im Flugzeug.
Der Dauerschläfer
Rückenlehne zurückkippen, Schlafmaske auf, Ohropax rein und schon ist der Schnarcher im Schlummer-Modus. Er schläft noch vor dem Abheben ein und wacht erst wieder bei der ruckeligen Landung auf. Er verschläft diverse Sicherheitsdurchsagen, das Essen, die Getränke, er verschläft den Sonnenuntergang, den die anderen Fluggäste bestaunen und fotografieren. Er verschläft das Entertainment-Programm an Board, den Anflug über der Küste, die Landschaft von Oben. Selbst das schreiende Kleinkind zwei Reihen hinter ihm, lässt ihn unberührt. Der Dauerschläfer ist zwar der Ideal-Sitznachbar, er nervt niemanden, versucht sich nicht in unangenehmen Smalltalk. Problematisch wird’s nur, wenn sich der Dauerschläfer auch als Schnarcher entpuppt. Denn dann kann der seelenruhige Sitznachbar zur Kreissäge werden und den Reihen hinter und neben ihm einen Höllenritt über den Wolken bereiten.
Die Applaudierende
Diesen Flugpassagier:innen-Typ trifft man besonders in Zentraleuropa an. Oft sind es Menschen älteren Baujahres, Menschen für die technischer Fortschritt noch eine Besonderheit ist. Menschen, die selten fliegen, maximal einmal im Jahr in den All-Inclusive-Urlaub nach Ägypten oder in die Türkei. Flüge sind eine solche Rarität in ihrem Leben, dass jeder Teil des Fliegens ein Ereignis ist. Sie sind schon stundenlang vor dem Boarding am Flughafen, warten sehnsüchtig auf die Bekanntgabe des Gates, sind die ersten am Sitzplatz. Das Highlight: die Landung. Wenn der Pilot das Flugzeug und die Passagier:innen wieder heil an Land bringt, dann kommt der Einsatz: Dann klatschen die Applaudierenden wie wild in die Hände, wie nach einer gelungenen Theatervorstellung, nach einem mitreißenden Konzert. Sie klatschen und klatschen, ehe die Applaudierenden dann die Ersten sind, die von ihren Sitzplätzen aufspringen – noch bevor das Flugzeug zum Stillstand gekommen ist. Sie warten dann 20 Minuten im Gang rum, ehe sie das Flugzeug verlassen können, noch immer ganz ergriffen von der Landung.
Der Flirter
Er lässt keine Chance ungenutzt. Wenn beim erste Smalltalk klar wird, dass die Sitznachbarin oder der Sitznachbar single und ready to mingle ist, geht er in die Offensive. Mit im Handgepäck hat er: schlechte Anmachsprüche und ein ganzes Päckchen Kondome. Sein Ziel: der Mile High Club. Zu den Stewards und Stewardessen ist er besonders freundlich, lächelt sie immer ein paar Sekunden zu lange an, am Weg auf die Toilette scannt er die Sitzreihen nach attraktiven Mitflieger:innen. Hat er eine:n potentielle: Kreuzungspartner:in ausgespäht, schreibt er ihr geheime Nachrichten über Airdrop und bastelt aus den Airline-Broschüren Papierflugzeuge, die er mit Liebesbotschaften versieht. Seine Devise: Über den Wolken auf Wolke 7.
Die Hustlerin
Der Laptop sitzt schon beim Warten am Gate auf dem Schoß. Die Business-Passagierin tippt und tippt, das Headset auf dem Kopf, wild telefonierend. Sie hebt ihren Blick kein einziges Mal vom Bildschirm ihres Laptops, selbst wenn sie einen hastigen Schluck von ihrem Latte Macchiato to go nimmt, fixiert sie die Excel-Tabelle vor ihr. Beim Boarden, am Weg durch den Gang zum Flugzeug, schiebt sie mit einer Hand den Rollkoffer neben sich her, auf der anderen balanciert sie den Laptop, um auch im Gehen zu arbeiten. Am Sitzplatz angekommen, geht das Hustlen weiter: Sie tippt und tippt, würdigt ihren Sitznachbar keines Blickes, trinkt nur Kaffee. Die Stewardessen müssen sie drei Mal drauf hinweisen, den Laptop beim Abheben und Landen zuzuklappen und zu verstauen. Nichtsdestotrotz zählt die Hustlerin zu den Ideal-Sitznachbar*innen. Immerhin stört sie niemanden um sich herum, und selbst das leise Laptop-Tasten-Stakkato wirkt auf Dauer wie eine Einschlafhilfe für ihre Mitflieger:innen.
Der Ängstliche
Er zittert schon, wenn er im Flugzeug Platz nimmt, greift sofort zu dem Flyer mit den Sicherheitsanweisungen in der Rückenlehne des Vordersitzes, liest sich alles akribisch durch – mehrmals. Sein Bein zittert, er kaut seine Fingernägeln, als hätte er tagelang nichts mehr gegessen. Kurz vor dem Abheben gibt es eine Ladung Bachblütentropfen zur Beruhigung, die er mit einem ersten Bloody Marry hinunterspült, um seine Angst zu lindern. Wenn das Flugzeug los rollt und abhebt, schließt er die Augen fest zusammen, stützt seine Arme auf die Armlehnen. Erst in der Luft kann er sich wieder beruhigen. Zur Ablenkung zieht er sich Frozen, König der Löwen und drei weitere Bloody Marrys rein. Damit übersteht er dann auch die Landung. Zusehen kann er dabei zwar nicht, aber einmal gelandet, blüht der Ängstliche wieder auf, er küsst den Boden, sobald er aus dem Flugzeug steigt, verdrückt ein paar Freudentränen. Den Tag des überstanden Fluges markiert er sich in seinem Kalender als seinen zweiten Geburtstag.
Die Flugzeug-Camperin
Voll ausgestattet tritt sie den Flug an, als würde eine zehnmonatige Raumschiff-Mission vor ihr liegen. Erst richtet sie sich ein. Sie packt ihre Snacks aus: Studentenfutter, Gemüsesticks, Chips, getrocknete Früchte. Ihre Wollsocken packt sie in die Rücklehnen-Tasche vor ihr, das mitgebrachte Kopfpolster stopft sie hinter ihren Nacken. Sie hat einen ganzen Kulturbeutel dabei, um sich während des Fluges frisch zu halten: Hautpflege-Produkte, eine Haar- und Zahnbürste, Zahnpasta, Zahnseide, Mundspülung, Deo, Parfum, Schminke. Wechselsocken und -Unterwäsche. Lange Flüge können ihr nichts anhaben, sie ist top-vorbereitet.
Die Feierwütigen
Häufig zu finden ist diese Spezies unter Junggesellenabschieden und Ballermann-Reise-Gruppen. Schon vor dem Boarden kaufen besagte Flugpassagiere das Hochprozentige im Duty Free-Laden leer. Der Promille-Pegel höher als das Flugzeug fliegen kann, die Manieren tiefer als der Meeresspiegel. Die Feierwütigen sind das Gräuel eines jeden Mallorca- oder Ibiza-Fluges. Sie sind laut, tragen neonfarbene Tanktops und zu wenig Deo auf. Sie singen “Schatzi, schenk mir ein Foto”, wenn die Stewardess sie bedient und “Mallorca ist nur einmal im Jahr” in Dauerschleife. Die Feierwütigen provozieren Beschwerden ihrer Mitfliegenden und Augenrollen der Flugbegleiter*innen. Und das Schlimmste: Weil sie immer und immer weitertrinken, immer und immer mehr Bier bestellen, den Alkoholpegel hochhalten, nimmt die Partylaune nicht ab. Ganz im Gegenteil: Das Gegröle wird mit jedem Schluck lauter, die falschen Töne noch schiefer.
Die Sportlerin
Zehn Stunden Flug nach Bangkok. Das geht natürlich nicht ohne Bewegung und Sport. Die Sportlerin kommt schon in Yoga-Hose zum Gate, legt vor dem Boarding noch eine Pilates-Einheit ein, springt ein paar Hampelmänner und macht ein paar Liegestütze. Während des Fluges geht das Sportprogramm weiter: Alle zehn Minuten und immer dann, wenn das Anschnallen-Zeichen erlischt, scheucht sie ihren Sitznachbar auf, um aufstehen zu dürfen. Sie dehnt sich dann am Gang, macht Gymnastik, läuft im Stand, geht mindestens zwölf Mal auf’s Klo – zum Einen weil sie Unmengen an Wasser trinkt, um hydratisiert zu bleiben, aber auch, um genügend Schritte auf ihrer Fitness-App zu sammeln.
Der Smalltalker
Man könnte fast meinen, er fliege, um Networking zu betreiben. Einmal neben seiner Sitznachbar:in angekommen, quatscht er auch schon los. Anfangs sind es noch Ice-Breaker-Themen, klassischer Small-Talk: “Na, geht’s für Sie auch in den Strandurlaub?”, “Na, ist das Ihr erstes Mal in Mexiko?” Doch sobald sich die Mitfliegenden auf das Gespräch einlassen, geht er zum Angriff über. Er erzählt, erzählt und erzählt. Von früheren Reisen, von Ex-Partner:innen, von Enkeln und Erbschaftsstreit. Er erzählt von seiner letzten Prostata-Vorsorge-Untersuchung, von seinen Nachbarn und seinem letzten Kinobesuch. Und weil die Sitznachbar:innen höflich sind, lassen sie ihn weiterreden, wie einen Podcast in Dauerschleife. Noch Jahre nach dem Flug erhalten sie Postkarten von dem gesprächigen Herrn. Diese Spezies von Flugpassagieren ist meist älteren Baujahrs. Immerhin sind ältere Generationen es noch gewohnt, sich miteinander zu unterhalten. Damals gab es weder Fernseher an Board noch Smartphones, mit denen man sich die Flugzeit vertreiben konnte.
Die Leseratte
Ein Langstreckenflug in die USA ist für ihn ein Lese-Marathon. Er nimmt drei Bücher und zwei Magazine mit und liest sie alle, Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Seite für Seite, durch. Er blättert wild, liest auch während der Sicherheitsdurchsagen, während des Essens, während des Abhebens und Landens. Schlaf? Braucht er nicht. Er braucht Geschichten, Krimis, Thriller, Romanzen – alles was die Welt der Literatur so hergibt.